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Stimmrechtsbündelung von Gesellschaftern bei Startups
30.01.2023
Damit es einem Startup gelingt, sich als ein stetig wachsendes Unternehmen auf dem in- und ausländischen Markt zu etablieren, durchläuft es zunächst zwingend einige (Entwicklungs-)Phasen. Ob und wie sich ein Startup dann entwickelt, wird maßgeblich durch Entscheidungen bestimmt, die in der Gesellschafterversammlung nach dem Mehrheitsprinzip beschlossen werden. Die beteiligten Gesellschafter beeinflussen die Entwicklung des Startups durch die Ausübung der ihnen durch ihre Gesellschafterstellung zuteil gewordenen Stimmrechte. Aus einer insbesondere für Startups typischen, rasant zunehmenden Beteiligung von vor allem (Minderheits-)Gesellschaftern erwächst jedoch mitunter eine erhebliche Schwierigkeit. Es gilt dann, die verschiedenen Meinungen bzw. Stimmen der einzelnen Gesellschafter miteinander in Einklang zu bringen und gegebenenfalls Kompromisse zu finden.
Als Konsequenz kommt es nicht selten zu Verzögerungen oder gar einem Ausbleiben wichtiger Entscheidungsfindungen während der Gesellschafterversammlungen. Dadurch wird die Entwicklung und das angestrebte Wachstum eines jungen Unternehmens zumindest kurz- oder sogar langfristig behindert. Mit einem solchen Risiko sehen sich vor allem Startups konfrontiert, denn im Idealfall werden in jeder neuen Finanzierungsrunde neue Beteiligungen von weiteren Gesellschaftern dazugewonnen. Um einer solchen Aufsplittung der Gesellschafteranteile und den sich daraus ergebenden Problemen für ein Unternehmen bereits möglichst frühzeitig und vorbeugend zu begegnen, besteht die Möglichkeit, die Stimmrechte von (Minderheits-)Gesellschaftern zu bündeln. Hierdurch bleibt das Startup trotz einer zunehmenden Beteiligung weiterhin handlungsfähig.
Eine Möglichkeit, eine solche Stimmrechtsbündelung herbeizuführen, besteht beispielsweise im Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen betroffener (Minderheits-)Gesellschafter. Durch diese Stimmbindungsvereinbarungen verpflichten sich die beteiligten Gesellschafter untereinander, die ihnen zustehenden Stimmrechte in künftig stattfindenden Gesellschafterversammlungen einheitlich auszuüben. Dadurch entsteht ein sogenannter Stimmpool, innerhalb dessen vor jeder anstehenden Gesellschafterversammlung bereits vorab über die zu verhandelnden Angelegenheiten des Unternehmens diskutiert und entschieden wird. Das Ergebnis der stimmpoolinternen Abstimmung bindet die betroffenen Gesellschafter kraft der vertraglichen Vereinbarungen untereinander an eine bestimmte Stimmabgabe. Den Mitgliedern eines solchen Stimmpools steht es grundsätzlich frei, ihre Stimmrechte innerhalb der Gesellschafterversammlung selbst auszuüben oder sich nach den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre von einem anderen Mitglied des Stimmpools vertreten zu lassen.
Stimmbindungsvereinbarungen sind somit grundsätzlich geeignet, der befürchteten Fragmentierung von Gesellschaftsverhältnissen eines Startups zu begegnen. Derartige Vereinbarungen bergen jedoch auch einige Risiken. So einigen sich die am Stimmpool beteiligten Gesellschafter zwar zu einer konkreten Stimmabgabe und sind diesbezüglich gewissermaßen durch die abgegebene Stimmbindungsvereinbarung verpflichtet. Ob ein Gesellschafter jedoch bei dem Zugesagten bleibt, ist eine Frage der Loyalität der anderen Poolmitglieder gegenüber.
Denn wer als Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung sein Stimmrecht entgegen der vorherigen Absprache ausübt, hat allein schadensersatzrechtliche Sanktionen aufgrund der Verletzung der Stimmbindungsvereinbarung zu befürchten. Auf Ebene des Gesellschaftervertrages drohen keinerlei Sanktionen. Die sodann tatsächlich abgegebene Stimme in der Gesellschafterversammlung wird von der Verletzung der Stimmbindungsvereinbarung nicht tangiert und behält demnach ihre Gültigkeit. Das rührt daher, dass in der Rechtsgeschäftslehre streng zwischen „rechtlichem Dürfen“ im Innenverhältnis und „rechtlichem Können“ im Außenverhältnis differenziert wird. Bricht ein Gesellschafter eine Stimmbindungsvereinbarung, verletzt er zwar die Pflichten, die sich hieraus gegenüber den anderen Poolmitgliedern ergeben. Auf das Außenverhältnis – die Stellung des Gesellschafters innerhalb des Unternehmens – hat das jedoch keinerlei Auswirkungen. Zusätzlich weisen sogenannte Stimmrechtsvereinbarungen auch eine weitere Schwachstelle auf. Dadurch, dass vor jeder Gesellschafterversammlung eine stimmpoolinterne Abstimmung der Gesellschafter stattfinden muss, entsteht ein hoher organisatorischer Aufwand.
So stellt sich die Frage nach einer anderen Möglichkeit, das aufgeworfene Problem zu umgehen. Die beabsichtigte Bündelung von Stimmrechten der beteiligten Gesellschafter kann auch durch Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erreicht werden. Grundsätzlich gestaltet sich die Gründung und der Betrieb einer GbR weitestgehend problemlos, weshalb diese Lösungsmöglichkeit als durchaus zweckmäßig anzusehen ist. Wirft man jedoch einen Blick auf die Haftungsfrage, ist im Ergebnis wohl davon abzuraten. Gesellschafter einer GbR haften grundsätzlich uneingeschränkt mit ihrem persönlichen Vermögen, sodass diese damit wohl teilweise einem höheren Haftungsrisiko ausgesetzt wären, als ursprünglich beabsichtigt.
Derartige Folgeprobleme wirft eine treuhänderische Lösung hingegen nicht auf. So können (Minderheits-)Gesellschafter einen neutralen Treuhänder mit der Verwaltung ihrer Geschäftsanteile im Rahmen einer sogenannten Beteiligungstreuhand beauftragen. Der Treuhänder hält die Gesellschaftsanteile dann „in treuen Händen“, indem er nach außen hin wie der tatsächliche Eigentümer der Beteiligungsanteile der Gesellschaft auftritt. Bei allen unternehmensspezifischen Abstimmungen und Entscheidungsfindungen tritt der Treuhänder an die Stelle der Gesellschafter. Obwohl der Gesellschafter als Treugeber faktisch weiterhin das Eigentum an den Anteilen behält, ist er – bis zur Beendigung des Treuhandverhältnisses - kein direkter Gesellschafter des Unternehmens. Nimmt ein unabhängiger Treuhänder die Verwaltung der Gesellschaftsbeteiligungen für einige der Gesellschafter wahr, werden so die Stimmrechte der an der Treuhand beteiligten Gesellschafter gebündelt. Konsequenz dessen ist, dass die Entscheidungsfähigkeit in der Gesellschafterversammlung erhalten bleibt. Die Entwicklung des Startups wird dadurch also nicht gehemmt.
Insbesondere im Vergleich zum Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen erwartet die Gesellschafter kein erhöhter Organisations- bzw. Verwaltungsaufwand, da der beauftragte Treuhänder die Verwaltung der Gesellschafteranteile übernimmt und sich dabei nach bestimmten, generellen Vorgaben der Gesellschafter richtet. Die Organisation von Abstimmungen vor der eigentlichen Gesellschafterversammlung ist somit nicht notwendig. Hinzu kommt, dass ein Treuhänder bei der Verwaltung des Treugutes unabhängig agiert. Dementsprechend besteht kein Risiko, dass dessen Stellung zu einem eigenen potenziellen Nutzen missbraucht wird.